Arche-Zeichnungen
Märkische Allgemeine Zeitung Vom 14.2.2002
Nichts dazwischen, das man sah.Arche-Zeichner Reiner Roczen liebt die Klarheit des Schwarz-WeißRAINER PLAGEMANN
RAINER PLAGEMANN
Entweder oder, die oder diese, entweder oder, gut sein oder schlecht -
in Zeiten solcher
Rock-Poetik ist Reiner Roczen groß geworden. Und vielleicht hat
"Karussells" Aufmüpfigkeit auch ihn gestreift. Das "Nichts dazwischen,
das man sah" der
Renft-Nachfolgeband jedenfalls atmet in den Grafiken, die Roczen
Woche um Woche für die "Arche" schöpft: schwarz und weiß, ,und damit
alles klar -
Mitnichten. Denn was der praktizierende Denkmalpfleger - übrigens ein
Mann der Farben ? da seit 1986 als Illustration für die Themen des
Arche-Gesprächskreises zu Papier bringt, lässt zuweilen
Gedankenspielräume, die ihn selbst verblüffen. Dass die Orthodoxie (in
Form der kleinen Newski-Kirche vom Kapellenberg) abhebt, war für Roczen
zunächst mal ein Positivaspekt, und des Grafikers ansteigende Linie von
links unten nach rechts oben verdeutlicht das ebenso wie die beim
abstürzenden Ballon fallende Linie von links oben nach rechts unten.
"Kirche ist ja immer auch Botschaft", sagt Roczen als überzeugter
Katholik: "Sie überträgt die Botschaft von einem Ort zum anderen, von
einem Menschen zum anderen." Aber man kann die Sache eben auch ganz
anders sehen: Die Kirche als Schutz und Zuflucht der Menschen wird davon
geweht. Oder: Die Kirche als Apparat und Institution verliert die
Bodenhaftung, den festen Kontakt zu den Menschen.
"Hm", grummelt Roczen: "Darüber hab' ich noch gar nicht nachgedacht."
Aber es freut ihn, wenn seine Kunst so viele Ansatzpunkte bietet. "Ach
was, Kunst, wehrt er ab: "Das sind so
Fünf-Minuten-Werke." Dabei brauchen die wenigsten Blätter so wenig
Zeit; manche Filzstiftzeichnung kostet ihn gar Stunden. Dann hat er eine
Idee, aber das Drumherum will und will einfach nicht passen. Dann
überklebt er Elemente wieder oder zeichnet notfalls
neu.
Dass es schwarz-weiß ist, hat so seine Gründe. "Das ist billig in der Vervielfältigung", sagt er: "Unser Kreis hat kein Geld für Farbdrucke." Und einen unbestreitbaren Wiedererkennungswert hat diese Grafikform auch. Wer immer so ein Poster in der Ladentür sieht oder als Flyer in der Hand hält, weiß, um wen es geht: um die Arche. Seit nun schon 16 Jahren bietet der ökumenische Gesprächskreis der Katholischen Gemeinde St.Peter & Paul aktuelle Themen historischen und. weltanschaulichen Inhalts an und dies durchaus nicht nur für Gläubige.
Man versteht sich heute als Jähre zwischen kirchlichem und weltlichem Ufer", doch zu DDR-Zeiten sah die kleine Gruppe Diskutierender darin auch mehr: einen Hort des Überlebens zum Beispiel oder einen Schutz gegen die "Staatsmacht'. Dass die Streitgespräche mit Experten so viel Zuspruch finden, ist auch Roczens Verdienst. Er liefert nicht bloß die wöchentliche Vorschaugrafik, sondern auf dem selben Blatt auch eine Kurzfassung des Themas. "Das", so gibt er zu, "dauert oft sogar viel länger als das Zeichnen."
Gezeichnet hat Roczen schon immer gern; in der Schule stand er da glatt eins. Und auch beim Restauratorenstudium wurde viel gezeichnet.
Diese Kunst zur Kunst zu machen, kam ihm aber nie in den Sinn. Ein einziges Mal waren seine Poster ausgestellt: "Als die Arche zehn wurde, tapezierten wir eine Wand damit", erinnert er sich: "Aber auf mich kommt es hier doch gar nicht an. " Nicht mal ein klitzekleiner Namenszug versteckt sich in den Bildern.